Vom Brainstorming zum Brain-Netting

Einfach hinsetzen, nachdenken und die perfekte Lösung finden: Brainstorming wird als „Allzweckwaffe“ in der Kreativbranche betrachtet und kann helfen, neue, innovative Einfälle anzuregen. Eine Gruppe aus unterschiedlichen Menschen kann sogar intelligentere Entscheidungen treffen als Expert:innen des Fachgebiets. Das liegt an der Ansammlung von Informationen in Gruppen. Studien haben aber auch ermittelt, dass Gruppen weniger gute Ideen produzieren als Einzeldenker:innen, wenn die nötigen Rahmenbedingungen für ein Brainstorming nicht stimmen. Grundsätzlich gilt: Quantität und Heterogenität erzeugen Qualität. Je mehr Ideen in den Raum geworfen werden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit eines Treffers.

Welche Methoden fördern das Brainstorming?

Struktur ist für ein gutes Brainstorming relevant. Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie die Gruppe und Herangehensweise organisiert werden können, um effizient sogenannte Schneeballeffekte zu erzielen, sodass vom Wissen aller profitiert werden kann. Neben der Disney Methode, die der Gruppe Rollen eines Träumenden, Realisten und Machers, eines Kritikers sowie eines Neutralen zuordnet, stehen auch alternative Zuweisungen wie die Rolle des Moderators, des Optimisten, des Kreativdenkers, des Emotionalen, des Kritikers und des Realisten (sechs Denkhüte nach De Bono) zur Auswahl. Eine klare Rollenzuweisung führt dazu, dass Ideen zu jeder Zeit aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Auch wie die Ideen im Anschluss gesammelt und eingeordnet werden, kann über verschiedene Methodiken erfolgen. Wie den Ideen sind auch den Ansätzen keine Grenzen gesetzt. Für introvertiertere Gruppen bieten sich Verfahren an, die im Stillen und jede:r für sich beginnen. Ein Ansatz wäre die 6-3-5 Methode, mit der drei eigene Ideen auf verschiedene Zettel notiert und im Kreis weitergegeben werden. In jeder Runde ergänzt jede:r Teilnehmer:in die vorhandenen Ideen. Damit lässt sich die Anzahl der Ideen exponentiell steigern. Blockaden im Brainstorming können auch Fragen lösen. Statt Antworten zu suchen, werden Fragen aufgeworfen, die sich rund um das zu behandelnde Thema stellen. So lassen sich Ziele, Herausforderungen und Prioritäten identifizieren. Um ein zu langes Nachdenken zu verhindern, hilft eine Zeitvorgabe, in der so viele Ideen wie möglich in den Raum geworfen und erst im Anschluss nach qualitativen Merkmalen sortiert werden. Setzt sich die Gruppe aus sehr homogenen Mitgliedern zusammen, hilft es, ein weiteres Rollenspiel hinzuzuziehen. Das Figuring Storming beschreibt den Perspektivwechsel in die Lage eines Außenstehenden. Das kann eine Person oder ein Influencer bzw. eine Influencerin sein. Diese Methode kann zu kuriosen, aber auch zu wertvollen Ideen führen – auf jeden Fall fördert sie die Kreativität und offenbart Vorurteile und Wissenslücken.

Brain-Netting im Alltag

Seitdem das Thema Homeoffice in fast jedem Unternehmen Einzug gehalten hat, drängt sich die Frage auf, wie ein gemeinsames Brainstorming ohne den persönlichen Austausch aussehen kann. Die Antwort lautet: Brain-Netting. Es unterscheidet sich in seinem Kern nicht von regulären Brainstorming-Methoden, sondern zieht seine Qualitäten und Herausforderungen lediglich aus dem neuen, digitalen Umfeld. Diesen Überlegungen haben spezielle Brainstorming-Tools ihren rasanten Aufstieg zu verdanken. In einfachen kollaborativen Schreibtools wie Etherpads (oder einfach Pads genannt) oder Word Docs, auf die gemeinsam und gleichzeitig zugegriffen wird, können Ideen sofort gesammelt und vom Moderator geteilt werden. Zur Strukturierung und Prozessoptimierung eignen sich sogenannte Kanban-Boards wie Trello. Hier können Ideen gesammelt, sortiert, priorisiert und abgearbeitet werden. Whiteboard-Tools wie Lucidchart, Miro, Mural oder Ziteboard veranschaulichen mit Mindmaps, Post-its, Pfeilen, Tabellen die Beziehungen der gesammelten Ideen. Das Neue daran ist die Ungebundenheit der Programme, die keinen gemeinsamen Termin oder Meetings erfordern. So können auch Teams zusammengeführt werden, die unterschiedliche Arbeitszeiten haben. Die Offenheit der Pads fördert ein stetiges Brainstorming. Das Internet besticht hierbei durch weitgehende Grenzenlosigkeit. Mit jeder neuen Idee erweitern sich die Boards. Ihr Inhalt kann dabei folgenfrei neu angeordnet, verschoben und angepasst werden. Eine der Herausforderungen beim persönlichen Teammeeting liegt stets im Notieren und Archivieren der Ideen. Da die Ideen beim Brain-Netting von vornherein online erfasst und für das gesamte Team freigegeben sind, sind sie für jeden späteren Zeitpunkt abrufbar. Einzig die aktive Nacharbeit fällt nun weg, die zwar Zeit beansprucht, häufig aber einen neuen Blick auf die gesammelten Ideen verschafft. Dafür bleiben alle Ideen an einem Ort. Im Zwischendurch des Büroalltags gehen wichtige Informationen doch manchmal in E-Mails oder Ordnerstrukturen unter.

Insgesamt bieten virtuelle Brainstorming-Tools den Ideen grenzenlose Möglichkeiten und einen festen Ort, auf den jederzeit von überall zugegriffen werden kann. Das bringt einen gesteigerten Anspruch an Struktur und Sorgfältigkeit mit sich, der den Prozess durchaus in seiner Umfänglichkeit aufwertet, in seinem zeitlichen Anspruch jedoch verlangsamt.