Super-Apps bald auch in Europa?

Immer häufiger wird auch hier in Europa von einer Zukunft mit „Super-Apps“ gesprochen. Im asiatischen Raum sind sie dagegen kaum mehr wegzudenken. Den chinesischen Markt dominieren zwei Anwendungen, WeChat und Alipay, die das Smartphone zum Universalmittel des Alltags machen und dabei stetig wachsen. Mithilfe einer einzigen App lassen sich vielfältige Alltagshandlungen wie Transaktionen, Reservierungen, Verabredungen und Kontakte organisieren. Die Super-Apps funktionieren damit wie eine zwischengeschalte Softwarekategorie. Sie integriert Funktionen, die sonst in einzelnen Apps heruntergeladen und geöffnet werden müssten, in einer einzigen mobilen und niedrigschwelligen App.

Worin besteht die Neuheit der Entwicklung?

Entwickelt hat sich WeChat aus einer Messenger-Funktion. Die App hat sich derart unentbehrlich gemacht, dass die QR-Codes in China aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken sind. Der Vorteil der Nutzer:innen liegt vor allem darin, Zwischenschritte zu reduzieren und den Weg zur gewünschten Handlung verkürzen zu können. Die User müssen nicht einmal die technische Umgebung verlassen, um Taxen zu rufen, Tische zu reservieren oder mit Freunden zu chatten. Je vielfältiger die Services sind, die integriert werden, desto attraktiver wirkt die App. Aus unternehmerischer Sicht ist es bedeutend leichter die Akzeptanz der Kunden zu erlangen, wenn die Unternehmen in einem einheitlichen, bekannten System integriert sind. Die ständigen Berührungspunkte zwischen der Marketingplattform und Kund:innen im Alltag sorgen dafür, dass das Vertrauen in die Dienste steigt und sowohl Kund:innen als auch Anbieter:innen der Einstieg erleichtert wird. Das Vertrauen ist dabei direkt abhängig von der Verlässlichkeit der App, die nun als Gatekeeper zwischen Konsument:innen und Unternehmen steht. Durch die Komprimierung wird zudem Telefonspeicher gespart, was diesen derzeit stark limitierenden Faktor positiv beeinflussen würde.

Was bedeuten Super-Apps für den europäischen Markt?

Durch die starke Kundenbindung und das inkludierende System beansprucht die App den Kundenzugang für sich. Die Zuliefer:innen der Produkte könnten für das System somit austauschbar werden und ihre Kundenbindung verlieren. Dies bietet ein breites Zukunftsgeschäft für sogenannte Neo Broker, die sich im Finanzsektor ihrerseits dazwischenschalten könnten. Dies könnte ähnliche Szenarien aufrufen, wie sie gegenwärtig zwischen Banken und Paypal bestehen.

Derzeit testen Großunternehmen wie Facebook in Indien Zahlungsfunktionen beispielsweise innerhalb von WhatsApp. Sollte die Integration eines erfolgreichen Payment-Dienstes gelingen, hätte Facebook ein attraktives Tool hinzugewonnen. Damit könnten sie den Kreis zwischen Ads und den generierten Kauferfolgen schließen. Unternehmen wie Google, die derzeit auf Modelle wie „Progressive Web Apps“ setzen, könnten durch diesen Trend ihre Marktposition und Relevanz verlieren. Google ist auf ein offenes Internet angewiesen, das den Gegenentwurf zu den in der Super-App eingeschlossenen Inhalten darstellt. Es wäre also abzusehen, dass sich mit der Etablierung von Super-Apps die Global Player verschieben und sich Chancen für Außenseiter ergeben.